Hoch hinaus - das Alpinum
Blick ins Alpinum im Frühling
Alpinum
Gentiana occidentalis (Enzian)
Pulsatilla vulgaris (Gewöhnliche Kuhschelle)
Blick von oben auf den Teich
Saxifraga sancta var. macedonica (Steinbrechgewächs)
Anemone multifida
Neu angelegter Bachlauf im Alpinum mit Blick hinunter zum Teich.
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Übersichtsplan
Anlagen, in denen Gebirgspflanzen zu sehen sind, werden gemeinhin als „Alpinum" bezeichnet. Namensgebend für die hier vertretenen „Alpenpflanzen" ist der – im weltweiten Vergleich eigentlich eher kleine – Gebirgszug der Alpen.
Auf einem Areal von ca. 3.000 m² beheimatet das Alpinum im Botanischen Garten Linz rund 1.000 Pflanzenarten aus den Gebirgsregionen aller Kontinente, die nach geographischen Gesichtspunkten geordnet und entsprechend ihren Standortansprüchen besetzt sind.
In kleinen Gruppen stehend, ist der Pflegeaufwand der Alpenpflanzen vergleichsweise hoch. Auch die Anzucht erfordert viel Zeit und Geduld: die Samen dieser Naturformen werden über den sogenannten „internationalen Samentausch“ (International Plant Exchange Network" (IPEN)) aus Botanischen Gärten der ganzen Welt bezogen und (oftmals 2-3 Jahre) im Anzuchtbereich gepflegt, bevor sie schließlich im Alpinum ausgepflanzt werden. Nach der Blüte werden die Samen der Alpenpflanzen erneut abgenommen und anderen Botanischen Gärten über den Samentausch angeboten.
Besondere Anpassungsleistungen von Gebirgspflanzen
Pflanzen, die Hochlagen besiedeln, müssen an die dort herrschenden speziellen Bedingungen angepasst sein. Hohe Strahlungsintensitäten (vor allem. im UV-Bereich), kurze Vegetationszeiten und stark wechselnde Temperaturverhältnisse sind dabei besonders prägend. Besondere Anpassung an diese extremen Standorte sind zum Beispiel Zwergwuchs, dichte Behaarung und Polsterform. Viele Alpenblumen sind zudem besonders bunt gefärbt und duften sehr gut – ebenfalls Anpassungen an die Bedingungen in extremen Höhen.
In den Alpen liegt die Vegetationsgrenze bei rund 4.000 Meter. In anderen, äquatornäheren Gebirgen kann sie aber bedeutend höher liegen: im Himalaja steigt die Vegetation zum Beispiel auf bis zu 6.000 Meter.
Während in den Bergen Tau und Nebel die Luft befeuchten und vielen Pflanzen als Wasserspender genügen, sorgen im Linzer Alpinum zwei Teiche und ein Bachlauf für Verdunstung und ein geeignetes Mikroklima.
Systematik im „Alpinum“
Das Alpinum im Botanischen Garten Linz unterteilt sich in folgende geografische Zonen:
Oberösterreichische Kalkalpen, Kalkalpen Österreichs, Europa, Urgesteinsalpen, Serpentingebiete Österreich, Asien, Kleinasien, Zentralasien, Ostasien, Gebirge Nordamerikas, Amerika, Arktis und Australien/Neuseeland/Südamerika.
In den Zonen der "Pflanzen der oberösterreichischen und österreichischen Kalkalpen" sind typische Arten unserer Alpenflora vertreten, wie Kurzstieliger Enzian (Gentiana clusii), Herzblättriges Kugelblümchen (Globularia cordifolia), Behaarte Alpenrose, auch Almrausch genannt (Rhododendron hirsutum), Weißer Speik (Achillea clavenae), Zwergglockenblume (Campanula cochlearifolia), Alpenaster (Aster alpinus), verschiedene Primelarten wie Petergstamm (Primula auricula) oder Clusius-Primel (P. clusiana), Alpennelke (Dianthus alpinus), verschiedene Steinbrechgewächse (Saxifraga caesia, S. aizoon, S. paniculata, S. burseriana), Hungerblümchen (Draba aizoides), Edelweiß (Leontopodium alpinum), Mannsschild (Androsace lactea), Straußglockenblume (Campanula thyrsoides), Alpenhahnenfuß (Ranunculus alpestris) – um nur einige anzuführen.
Ein kleiner Bereich ist den Pflanzen der Urgesteinsalpen (Zentralalpen) vorbehalten, die hier im Schiefer- und Urgesteinsschutt gedeihen. Die Zirbe oder Arve (Pinus cembra) mit ihren essbaren Samen, die in den Zentralalpen die Baumgrenze bildet, ist ebenso zu sehen, wie die mit ihr vergesellschaftete Rostrote Alpenrose (Rhododendron ferrugineum), welche große Flächen besiedelt. Präsentiert werden außerdem unter anderem die Bärtige Glockenblume (Campanula barbata), welche vereinzelt in Magerwiesen wächst, oder die Wildform der Bartnelke (Dianthus barbatus), eine mehrjährige Pflanze der östlichen Südalpen, die sich als Gartenpflanze stark verbreitet hat und oft verwildert anzutreffen ist.
In der Gruppe der "Pflanzen der Gebirge Europas" werden Pflanzen der West -und Südalpen, der Pyrenäen, Rhodopen, Karpaten, des Balkans, Apennin, Olymp, und anderer Gebirge gezeigt. Besonders dekorativ sind unter anderem der Königssteinbrech (Saxifraga longifolia) aus den Pyrenäen, die Frühlings-Lichtblume (Bulbocodium vernum), ein rosa blühender Lauch (Allum narcissiflorum) der Südwestalpen, die aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien stammenden blauen Büschelglocken (Edraianthus-Arten), eine gelbe Nelke aus Bosnien-Herzegowina (Dianthus knappii), die niedrige Nelke vom thessalischen Olymp (Dianthus haematocalyx), Primula spectabilis der Westalpen und die Karpatenglockenblume (Campanula carpatica) mit blauen und weißen Blüten.
Dieser Gruppe vorgelagert ist ein Teich: in und um ihn wachsen die heimische weiße Seerose (Nymphaea alba), Krebsschere (Stratiotes aloides), die starkwüchsige, gelbblühenden Seekanne (Nymphaeoides peltata) und die Zwergseerose (Nymphaea tetragona), deren Blüten nur ca. 3 cm im Durchmesser erreichen.
Die Gruppe der Pflanzen aus Kleinasien enthält Pflanzen aus sehr trockenen Regionen. Das Leitgehölz dieser Gruppe ist die Zypernzeder (Cedrus brevifolia). Die ersten Frühlingsboten sind der Winterling (Eranthis cilicica), ein goldgelber Krokus aus der Umgebung von Ankara (Crocus ancyrensis) und das Breitblättrige Schneeglöckchen (Galanthus ikariae latifolius), welches gemeinsam mit Vorfrühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum) aus dem Kaukasus blüht, gefolgt von der gelben Danford-Schwertlilie (Iris danfordiae). Die kleine, immergrüne Seidelbastart Daphne sericea zeigt dann rosa Blüten, während das Federgras (Stipa barbata) mit seinen langen, federig behaarten Grannen im Juni das Alpinum ziert. Verschiedene Tragant-Arten (Astragalus) überziehen Boden und über Steine, und der Italienische Aaronstab (Arum italicum) bringt im August rote Fruchtstände hervor.
Im Bereich "Zentralasien" sind zahlreiche Geophyten (Zwiebelgewächse) vertreten, die zum Beispiel aus den zentralasiatischen Steppen stammen. Darunter finden sich unter anderem Wildtulpen wie (Tulipa clusiana, T. turkestanica), der Blassgelbe Lerchensporn (Corydalis nobilis), Arten von Frittilaria wie Frittilaria raddeana, F. pallidiflora, sowie der herbstblühende Krokus (Crocus sativus), dessen Narben den Safran ergeben. Verschiedene Laucharten wie der imposante Paukenschläger Lauch (Allium rosenbachianum), Gehölze wie die Niederliegende Kirsche (Prunus prostrata) oder die Blauspiere (Sibiraea laevigata) und Stauden wie die Griffith-Wolfsmilch (Euphorbia griffithii) oder Pulsatilla bungeana ergeben ein buntes Gesamtbild.
Unter den Pflanzen aus Ostasien findet sich unter anderem der aus Korea stammende Zwerg-Geißbart (Aruncus aethusifolius), der sich zum Beispiel gut als robuster Bodendecker eignet. Markant sind auch der Meerträubel (Ephedra gerardiana sikkimensis) aus der Gruppe der nacktsamigen Pflanzen mit seinen roten Früchten, oder – vor allem im zeitigen Frühling – auch die Blüten des Amus-Adonisröschens (Adonis amurensis).
Auch der Hügel mit Pflanzen der asiatischen Gebirge zeigt sich farbenprächtig: Allium tuberosum aus Tibet erblüht weiß (August), die Leopardenblume (Belamcanda chinensis) entwickelt schwarze, glänzende, sehr dekorative Samen und Jasminum parkeri, eine niedrige Zwergform des Jasmins aus dem Westhimalaja, entwickelt gelbe Blüten. Im Herbst verzaubert der Sibirische Zwerg-Lebensbaum oder Fächerwacholder (Microbiota decussata) die Besucher*innen mit einer schönen kupferbraunen Herbstfärbung. Bemerkenswert ist darüber hinaus die aus dem Himalaja stammende Gerbera nivea mit ihren sogenannten "kleistogamen" Blüten: die Bestäubung erfolgt bei geschlossener Blüte.
Trockene Stellen werden von Igelpolster-Arten (Acantholimon androsaceum, A. subulatum) bedeckt.
Die südliche Hemisphäre mit Australien, Neuseeland und Südamerika (Chile, Patagonien) beherbergt einige winterharte Arten wie die Südbuche (Nothofagus antarctica), Strauchveronica-Arten (Hebe armstrongii, H. subalpina), das Greiskraut (Senecio grayi), die Steineibe (Podocarpus nivalis), Strauchveilchen (Hymenanthera crassifolia), kleine Arten des Schnurbaumes (Sophora microphylla, S. tetraptera), sowie Muehlenbeckia, Carmichaelia nana und die Berberitzen-Art Berberis stenophylla.
Eine kleine Gruppe ist den Pflanzen der Arktis vorbehalten. Arktische Pflanzen haben oft ähnliche Bedingungen wie alpine und hochalpine Pflanzen zu ertragen, da die Vegetationszeit in den zirkumpolaren Gebieten, die sich rund um den Nordpol erstrecken, ebenfalls kurz ist.
Pflanzen aus Amerika sind auf einem kleinen Hügel sowie einem größeren, nördlich exponierten Geländeteil zu finden. Zwei Nadelgehölze prägen das Bild: die Grannen-Kiefer (Pinus aristata) und Siskiyou oder Mähnenfichte (Picea breweriana).
Die aus den Gebirgen von Nevada stammende Grannen-Kiefer (Pinus aristata) hat einen knorrigen, oft gedrehten Stamm und eine graue bis rotbraune Schuppenborke. Die Siskiyou oder Mähnenfichte (Picea breweriana) wiederum zeichnet sich durch waagrechte Äste und schlaff hängende Zweige aus, die ihr eine sehr elegante Erscheinung geben.
Wie die Polsterphloxe (Phlox subulata, P. douglasii), dessen Züchtungen aus unseren Gärten nicht mehr wegzudenken sind, ist auch Bartfaden (Penstemon), eine Pflanze der Rocky Mountains, hier in vielen Arten zu sehen.
Neben Elementen trockener Standorte (Lewisia, Callirhoe, Oenothera) sind auch Waldpflanzen (Trillium, Dicentra, Rhododendron, Mertensia, Cypripedium, Jeffersonia) und solche von feuchten Gebieten (Dodecatheon, Echinacea, Erythronium) hier angesiedelt.
Gebirgsbach, Moor & more
An der Nordseite des Alpinums sorgen ein Bachlauf und zwei Teiche für Verdunstung und ein für Alpenpflanzen geeignetes Mikroklima.
Der im Jahr 2022 angelegte, einem Gebirgsbach nachempfundene Bachlauf im Alpinum führt über Felsen, glattgeschliffene Steine und sanfte Kaskaden. Der Bachlauf wirkt beinahe, als hätte er sich selbst seinen Weg durch diese Landschaft gebahnt, und verleiht – nicht zuletzt mit dem Plätschern des Wassers – dem Alpinum eine ganz besondere Atmosphäre.
Auf beiden Seiten des Bachbetts erheben sich Felsen und Steinhügel, die sorgfältig mit alpentypischen Pflanzen bepflanzt sind. Hier finden sich Schönheiten und Raritäten wie zum Beispiel Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris), Rispen-Eisenhut (Aconitum degenii), Trollblume (Trollius europaeus), die Reifrock-Narzisse (Narcissus bulbocodium) und Schwanenblume (Butomus umbellatus), sowie Alpenaurikel (Primula auricula), Schmalblättriges Weidenröschen (Epilobium angustifolium) und Clusius-Primel (Primula clusiana).
Unweit des Gebirgsbachs und seines „Auffangbeckens“ befindet sich ein weiterer, ausschließlich durch Niederschlagswasser gespeister Teich mit reichem Bewuchs, sowie ein kleines Flachmoor.
Die Vegetation erobert vom Rand her die gesamte Teichfläche und würde im Laufe der Zeit zu Verlandung führen. Der Bewuchs wird daher in unregelmäßigen Abständen stark reduziert, sodass die Wasserfläche wieder frei ist. Die Ufer- und Wasserflora setzt sich unter anderem zusammen aus Blutweiderich (Lythrum salicaria), Froschlöffel (Alisma plantago-aquatica), Gemeiner Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae), Gemeiner Wasserschlauch (Utricularia vulgaris), Kalmus (Acorus calamus), Kleine Teichrose (Nuphar pumilum), Krebsschere (Stratiotes aloides), Schnabelsegge (Carex rostrata), Schwimmendes Laichkraut (Potamogeton natans), Sumpffarn (Dryopteris cristata), Wolfstrapp (Lycopus europaeus), Zungenhahnenfuß (Ranunculus lingua).
Im angrenzenden Flachmoor gedeihen Flatter-Binse (Juncus effusus), Blaue Binse (Juncus glaucus), Zweihäusige Segge (Carex dioica), Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), Lavendelheide (Andromeda polifolia), Lungenenzian (Gentiana pneumonanthe), Mehlprimel (Primula farinosa), Zwergbirke (Betula nana), Moosbeere (Vaccinium oxycoccus), Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), Sumpfkalla (Calla palustris) und der Sumpfporst (Ledum palustre), der zu den am meisten gefährdeten Pflanzen Österreichs gehört.