Das Stadtökologische Umsetzungsprogramm Linz 2021-2024
Abschließende Bepflanzung eines Kleintierhabitats
Bohrungen in die Baumstämme als Nisthilfe für Wildbienen
Schmetterlingsbeet: Wildblumen, die als Nektarquelle für Bestäuber dienen.
Pflanzmaterial zur Aufwertung einer Wiesenfläche
Pflanzung von Wildsträuchern
Junge Obstbäume wurden als Allee gepflanzt.
Anlage eines Amphibiengewässers in Pichling
Anpflanzung von Wildstrauchinseln
Artenreiche Wiesenfläche durch Anpassung der Bewirtschaftung
Ein Erfolgsmodell in zwei Projektphasen
Die Landschaftsentwicklung hat sich dynamisch verändert und die Öffentlichkeit nimmt eine Verarmung der Lebensumwelt wahr. Das Fehlen von Instrumenten zur landschaftlichen Vorsorge auf kommunaler Ebene ist ein großes Problem. An diesem Punkt setzt das Stadtökologische Umsetzungsprogramm (SÖUP) finanziert durch den Klimafonds der Stadt Linz an, um Klimaanpassung und Biodiversität zu fördern und die Natur schrittweise wieder in das urbane Leben zu integrieren.
Dieses Kooperationsprojekt der Naturkundlichen Station mit dem Team „Stadtökologisches Umsetzungsprogramm“ bestehend aus der Landschaftsökologin Daniela Hofinger und den Landschaftsplaner*innen Milena Kaunert, Harald Kutzenberger und Anna Doppler zeigt eindrucksvoll wie Klimaschutz, Artenvielfalt und Lebensqualität Hand in Hand gehen können. Bereits seit Beginn der ersten Projektphase im Juli 2021 setzt Linz damit Meilensteine für eine naturnahe Stadtentwicklung. Mit der zweiten Projektphase (2023–2024) wurden weitere innovative Maßnahmen realisiert: von Blühwiesen und Naschinseln bis zu einem Biotopmosaik in Pichling. Diese Fortschritte stärken nicht nur die Biodiversität, sondern machen die Stadt grüner, kühler und lebenswerter.
Naturschutz in der Stadt Linz – lange Tradition
1989 wurde bereits ein Stadtbiotopkartierungsprojekt durchgeführt und 1994 wurde die Förderaktion der Stadt Linz für ökologisch orientierte Landschaftspflege und Landschaftserhaltung ins Leben gerufen. Diese und viele weitere Maßnahmen setzten wichtige Impulse für den Naturschutz in Linz und erhöhte die Sensibilität für den Artenschwund. So wurde Linz eine Pionierstadt in Naturschutz-Belangen.
Das Stadtökologische Umsetzungsprogramm tritt in diese Fußstapfen und erweitert nun seine Aktivitäten, indem es in die Stadtteile hinaus geht, Umsetzungsprojekte wie Kleintierhabitate, Käferlarvenburgen, Trockensteinmauern, Totholzhecken, Dachbegrünungen oder Säume mit Frühblühern und vieles mehr realisiert. Es findet eine konkrete Aufwertung von stadteigenen und ausgewählten, privaten Freiräumen statt bei der Lebensqualität, Lebensvielfalt und die Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Klima gleichwertig berücksichtigt werden. Weiters wird Raum für die Vernetzung von Initiativen, naturinteressierten Privatpersonen und der Stadt Linz in Form von Veranstaltungen, wie Motivationsvorträge oder den Symposien „Stadtlandschaft im Wandel“ und „Stadtlandschaft gestalten“ in Kooperation mit der VHS Linz, geschaffen. Aufklärungsarbeit durch die Montage von Infotafeln und die Kommunikation fachlich relevanter Themen ist ebenfalls ein wichtiges Ziel.
Integrierte Strategien der Stadtökologie
Die Veränderungsdynamik ist hoch, die Bebauung verdichtet sich, und der Druck auf Grünräume steigt. Das Programm zielt darauf ab, die Natur in die Stadt zurückzubringen, um die Lebensqualität zu verbessern und mit Bürgerinitiativen Bewusstsein zu schaffen, um gemeinsam an einer lebenswerteren, grünen, vielfältigen Stadt zu arbeiten. Auch magistratsintern wurde der Fokus auf naturnahe Gestaltung und Bewirtschaftung der Flächen gerichtet und eine hohe Bereitschaft für Veränderungen wahrgenommen. Auf einigen Flächen wird zum Beispiel nun gemäht anstatt gemulcht und das Mähgut auch abtransportiert. Auf Eigeninitiative der Pflegeteams des Geschäftsbereichs Stadtgrün und Straßenbetreuung wurden viele Projekte in den Stadtteilen verwirklicht.
Projektphase I: 2021–2022
Ein großes Arbeitspaket dieser Projektphase bestand aus der Aktualisierung von Teilen der Linzer Stadtbiotopkartierung. Dabei wurden 100 Flächen neu mit aktualisierten methodischen Ansätzen untersucht und digitalisiert. Die Biotopkartierung stellt ein stadtökologisches Archiv dar und ist Grundlage für die weitere Entwicklung.
Eine örtliche Citizien Activity Gruppe wurde etabliert, in der es regelmäßig die Möglichkeit gab, gemeinsam heimische Stauden und Gehölze zu pflanzen, Kleintierhabitate für gefährdete Tierarten zu bauen oder insektenfreundliche Frühblüher auf Gründächern zu ergänzen.
Zentrales Element des Projekts war die Umsetzung 100 konkreter Maßnahmen im gesamten Linzer Stadtgebiet. Der Schwerpunkt wurde auf stadteigene Grünflächen, die vom Geschäftsbereich Stadtgrün und Straßenbetreuung betreut werden, gelegt, wo unter anderem Totholzhecken errichtet wurden.
Endbericht Stadtökologisches Umsetzungsprogramm 2021-2022 (PDF, 42 MB)
Projektphase II: 2023-2024
In der ersten Phase wurden einfache, modulhaft umsetzbare Lebensraumelemente wie Baum- und Naschgehölzinselen sowie spezifische Artenschutzelemente für Wildbienen, verschiedene Käferarten, Igel, Eidechse oder Gebäudebrüter entwickelt. Diese wurden nun in den letzten beiden Jahren mit vielen Partnern, allen voran mit den Außenteams des Geschäftsbereichs Stadtgrün und Straßenbetreuung, zahlreichen Kindergärten, Schulen und Horten, der GWG mit Schwerpunkt Auwiesen und den beiden Stadtteilzentren Auwiesen und Franckviertel umgesetzt.
So entstand über die Stadt verteilt ein Netz aus kleinen Natur-Hotspots:
Auf einigen öffentlichen Grünflächen erfolgte eine Pflegeumstellung von Mulchung auf die schonende und biodiversitätsfördernde Mahd, inklusive Abtransport des Mähguts. Der Park hinter der Solarcity wird zum Beispiel seit letztem Jahr weniger häufig gemäht und erblüht nun zonenweise als bunte und nektarreiche Wiese.
Herausragende Projekte, die in der zweiten Phase umgesetzt wurden, waren die Errichtung von zwei Käferlarvenburgen in der Freistädterstraße und Nußbaumstraße, die Fertigstellung eines Kleintierhabitats in der Lederergasse und die Anlage von Wildgehölzinseln und einer Kopfweidenzeile am Linzer Segelflugplatz.
Eines der größten Umsetzungsprojekte war im Oktober 2024 die Schaffung eines Biotopmosaiks auf der Grünfläche gegenüber dem Sportpark Pichling mit Amphibienteich, Obstbaumzeile sowie Strauchinseln, Kleintierhabitat und Nistkästen. „Hier kann sich nun Vielfalt auf kleinem Raum mit ihrer spezifischen Tier- und Pflanzenwelt entwickeln. Neben Springfrosch, Neuntöter, Zauneidechse und vielen blütenbesuchenden Insekten, entsteht Raum für Naturerfahrung für uns Menschen“, so Projektleiterin Daniela Hofinger. Besucher*innen können hier zukünftig Maroni und Obst sammeln oder am Teich die einheimische Tierwelt beobachten.
Weiters wurde die Kontrolle beziehungsweise Pflege der bestehenden Umsetzungsmodule aus der ersten Projektphase durchgeführt. In dieser Projektphase wurde auch ein Modulkatalog für mehr Artenvielfalt in der Stadt erstellt, der alle Umsetzungsmöglichkeiten zusammenfasst.
Modulkatalog für mehr Artenvielfalt in der Stadt (PDF | 4,34 MB)
Einige Lebensraumelemente im Porträt
Gut zwei Drittel aller Wildbienenarten sind Erdnister, legen also ihre Nester im Boden an. Sie sind auf offene, lückige Bodenstellen angewiesen, wobei der Boden selbst aus sandig-lehmigem Material bestehen muss und nicht zu hart oder zu locker sein darf, da sonst die Brutröhren in sich zusammenfallen. Solche Standorte sind durch die Versiegelung oder meist dichtem Bewuchs selten geworden.
Künstlich angelegte Sandflächen werden gerne als Ersatzhabitate angenommen und bieten Nistplätze für verschiedenste Wildbienenarten wie Efeu-Seidenbiene (Colletes herderae), Frühlings-Seidenbiene (Colletes cunicularius), Grauschwarze Düstersandbiene (Andrena cineraria) oder Skabiosen-Furchenbiene (Halictus scabiosae).
Totholzstapel mit integriertem, unterirdischem Überwinterungsraum werden unter anderem Eidechsen, totholzbewohnenden Insekten, Wildbienen, Spitzmäusen und Laufkäfern genutzt. Äste und Baumstämme bevorzugt von Laubbäumen, Steine, Sand und Jutegewebe werden speziell aufgeschichtet und mit einer Dachbegrünung nach oben hin abgeschlossen. So entstehen Mikrohabitate, die als Nistplatz, Versteckmöglichkeit, Winterquartier und Sonnendeck dienen.
Artikel zum Thema im ÖKO.L 45/1 (2023) (PDF, 2 MB):
D. HOFINGER, H. KUTZENBERGER: Kleintierhabitate - Inseln der Vielfalt
Sie besteht aus senkrecht eingegrabenen Laubholzstämmen, deren Zwischenräume mit Hackschnitzel verfüllt werden und stellt ein künstlich angelegtes Totholz-Habitat dar. Es soll verschiedenen Bockkäferarten, Hirschkäfer (Lucanus cervus) und Wildbienen als Kinderstube dienen. Für die Biodiversität und einen gesunden Wald ist Totholz sehr wichtig. Je mehr Totholz in verschiedenen Zersetzungsstadien, Stärken und von unterschiedlichen Baumarten vorhanden ist, umso größer ist die Vielfalt an Tier- und Pilzarten.
Sie wird auch Benjeshecke (nach Hermann Benjes, der diese Form der Hecke in den 1980er Jahren propagierte) bezeichnet und ist eine naturnahe Struktur aus abgestorbenen Ästen und Zweigen, die als Lebensraum und Sichtschutz für verschiedene Tiere dient. Verschiedene Vogel-, Insekten und Säugetierarten finden Versteckmöglichkeiten und bauen ihr Nest in die Hohlräume. Auch Reptilien und Amphibien können von diesen Strukturen profitieren. Für die Anlage werden zwei parallel verlaufende Pfostenreihen eingeschlagen und mit Ästen, Zeigen und Laub befüllt. Dazwischen können auch Dornensträucher wie Weißdorn (Crataegus monogyna, Crataegus laevigata) oder Schlehe (Prunus spinosa) gepflanzt werden.
Es handelt sich dabei um eine Mauer, die aus natürlichen oder gebrochenen Steinen besteht, die übereinandergestapelt werden, wodurch Lücken und Hohlräume entstehen. Diese können mit Wärme und Trockenheit liebenden Pflanzen besetzt werden. Üblicherweise wird kein Mörtel verwendet. Die Trockensteinmauer dient der Strukturbildung in Lebensräumen. Eidechsen, Blindschleichen (Anguis fragilis), Äskulap- (Zamenis longissimus) und Schlingnattern (Coronella austriaca) sowie eine Reihe von Amphibien- und Insektenarten nehmen sie sehr gerne als Lebensraum an.
Stadtökologisches Umsetzungsprojekt 2023/2024 in Zahlen
- In Kooperation mit der Volkshochschule Linz wurden zwei Symposien veranstaltet, die rund 125 Interessierte anlockten.
- An drei Citizen Activity Wortshops wirkten um die 30 Teilnehmer*innen mit.
- Mehr als 300 Kinder und Schüler*innen aus Kindergärten, Schulen und Horten pflanzten Bäume, Sträucher und Stauden.
- Rund 500 Wild- bzw. Naschsträucher, 30 Kopfweidenstämme, 50 Bäume – großteils Obstbäume – und 600 Wildblumenstauden wurden gesetzt sowie 2500 Blumenzwiebeln eingelegt.
- 9 Vogelnistkästen wurden montiert.
Während des gesamten Projektes konnten etwa 30 Totholzelemente und ein Amphibienteich im Stadtgebiet Linz errichtet werden. Zusätzlich entstanden auf Eigeninitiative der Teams des Geschäftsbereichs Stadtgrün und Straßenbetreuung in ganz Linz viele weitere Naturhotspots wie Totholzhecken und Igelhaufen.