Lebensraum Wildnis am Segelflugplatz

Naturkundliche Station erhält den Grand Prix der Biodiversität für Lebensraum-Konzept zum Segelflugplatz Linz Ost 

Linz ist Vieles: Landeshauptstadt, Industrie-, Sport- und Kulturstadt. Was in der Aufzählung aber oftmals vergessen wird – Linz ist Naturstadt. So besteht innerhalb der Stadtgrenzen eine beeindruckende Fülle an Pflanzen und Tieren, die meist im Verborgenen lebt. Ob in Wiesen, Kleingewässern, Industriebrachen oder auch im geschützten „Natura 2000-Gebiet“ im Süden.

Anfang 2022 zeichnete der Naturschutzbund Österreich im Rahmen des „Grand Prix der Biodiversität“ einen Maßnahmenplan der Naturkundlichen Station zur Verbesserung der Lebensräume am Segelflugplatz Linz Ost aus. Dort finden sich gerade in Randbereichen des Flugplatzes Böschungen, Wiesen, Hochstaudenfluren, Flurgehölze sowie Heckenzeilen mit artenreicher Vegetation. Diese bildet in weiterer Folge – in Kombination mit der Kleinräumigkeit, dem Strukturreichtum und der unterschiedlich ausgeprägten Vegetationshöhe – Lebensraum für eine Vielzahl an Tierarten. Das Konzept richtet sich als Diskussionsbasis an alle Stakeholder, wie Grundbesitzer*innen, Liegenschaftsverwalter*innen, Flugsportvereine, Jagd, Forst sowie den Naturschutz (Naturschutzbund , Stadtgruppe Linz, Artenschutzbeauftragte).

Gerade in urbanen Bereichen muss der Schutz von Lebensräumen zur Erhaltung von Tier- und Pflanzenarten noch stärker im Vordergrund stehen. Vielfältige Grün- und Lebensräume wirken sich positiv auf das Stadtklima aus, stabilisieren Ökosystemkreisläufe, dienen der Erholung der Stadtbewohner*innen und ermöglichen Kindern und Jugendlichen wertvolle Naturerfahrungen. Beim Naturschutz in der Stadt soll die Natur nicht vor, sondern vor allem für den Menschen geschützt werden. Nicht nur die klimatischen Veränderungen stellen die Natur in der Stadt vor große Herausforderungen, sondern auch die Verbauung oder gewerbliche Nutzung von einstigen Naturflächen.

Wer beim Wort „Flugplatz“ an dröhnende Motoren, asphaltierte Rollfelder und allgemeine Hektik denkt, kennt den Segelflugplatz OST nahe des Linzer Tankhafens nicht. Gerade an den Rändern des weitläufigen Areals findet die Stadtnatur das, was sie zum Leben braucht: Wiesen, Hecken, Stauden, Flurgehölze und Tümpel – allesamt wichtige Lebens- und Rückzugsräume für eine Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten: Unter anderem Libellen, Amphibien, Reptilien, Biber, Niederwild, Igel, Wildbienen- und Schmetterlingsarten aber auch totholzbewohnende Insekten siedeln sich in diesen von großer Pflanzenvielfalt geprägten Bereichen an.

Preisgekröntes Konzept als Diskussionsbasis für alle Beteiligten

Um die Diversität und natürliche Lebensräume gezielt zu erhalten, hat die Naturkundliche Station der Stadt Linz ein Konzept erarbeitet, welches Grundlage für eine partnerschaftliche Diskussion aller Beteiligten sein soll. Den Anstoß zu diesem Konzept gaben die umfangreichen Forschungsarbeiten von Franz Huebauer und Werner Weißmair zur Wechselkröte im Linzer Industriegebiet. Herr Huebauer beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit den ungewöhnlichen Verhaltensweisen dieser unverwechselbaren Amphibienart und führt gemeinsam mit Herrn Weißmair sehr zeitintensive Fang- und Wiederfangversuche durch, die Aufschluss über Populationsgrößen und Bewegungsradien dieser Lurchart geben. Ihre Arbeit hat viele neue Erkenntnisse gebracht, aus denen gezielt Schutzmaßnahmen abgeleitet werden können.

Der Konzeptentwurf wurde Ende 2021 beim vom Naturschutzbund Österreich ausgeschriebenen „Grand Prix der Biodiversität“ ausgezeichnet und erlangte ein Preisgeld von 5.000 Euro.

Umfassender Maßnahmenplan mit ganzheitlichem Ansatz

Das Konzept ist in drei große Teilbereiche gegliedert. Der erste Abschnitt widmet sich einem Bewirtschaftungsplan für ausgewählte Flächen. Darin werden unter anderem gezielte Maßnahmen zur Eindämmung invasiver Pflanzenarten (Neophyten) herausgearbeitet, etwa gegen den Götterbaum, die Robinie, den Japanischen Staudenknöterich oder die Kanadische Goldrute. Diese Arten verdrängen heimische Pflanzen aus ihrem Lebensraum und wirken sich somit negativ auf die bestehenden Ökosysteme in ihrer Vielfalt aus. Auch ein speziell abgestimmtes Mahd-Management kann dazu beitragen, dass Lebensräume erhalten oder sogar geschaffen werden. So ist es beispielsweise möglich, durch abgestimmte Mäh-Zeitpunkte auf Blütezeiten von Pflanzen-, aber auch auf Brut- und Schlüpfzeiten von Tierarten Rücksicht zu nehmen. Nur Teile von Flächen zu mähen, kann sehr sinnvoll sein, um Lebensräume zu erhalten. Dies würde unter anderem den Schmetterlingen sehr entgegenkommen und die Zahl, der dort vorkommenden Arten sicherlich erhöhen. Bei einer Untersuchung im Jahr 2020 konnten immerhin schon 33 tagaktive Arten festgestellt werden.

Der zweite Teil des Konzepts schlägt konkrete Maßnahmen zur Verbesserung von Lebensräumen vor. Diese umfassen etwa Attraktivierungen des Bereichs für Amphibien, das Anbringen von Vogelnistkästen oder die Schaffung von Reptilien-Habitaten in Form von Kleintierhabitaten oder Lesesteinhaufen. Um Libellen im Umkreis von Tümpeln ein attraktives Umfeld zu bieten, wird vorgeschlagen, in diesen Bereichen nach einem Rotationsprinzip zu mähen. Totholzhaufen beziehungsweise eine so genannte Käferburg sollen totholzbewohnenden Insekten Lebensräume bieten. Darüber hinaus wird empfohlen, Schlehen zu pflanzen, welche wiederum Vogelarten wie Neuntöter oder Grauschnäpper beherbergen.

Der dritte Teil widmet sich der Bewusstseinsbildung: Um den Linzer*innen, die das Gebiet um den Segelflugplatz als Naherholungsgebiet nutzen, die Bedeutung des Geländes für den Klimaschutz sowie für den Erhalt von Tier- und Pflanzenarten näherzubringen, sollen entlang der Spazierwege, an Teichen, am Qualmbach oder an Wiesenböschungen Info-Tafeln angebracht werden.