Die Gemeine Schornsteinwespe – Architektin fragiler Bauwerke

Wie kleine, windschiefe Kamine ragen die fragilen Bauwerke der Gemeinen Schornsteinwespe (Odynerus spinipes) aus dem Boden.  Beim Vorübergehen fallen sie kaum auf, da sie aus Erd- oder Sandklümpchen des umgebenden Bodens gebaut sind. Man muss schon einen zweiten Blick riskieren, um sie zu entdecken. Während man noch über die spezielle Form der Röhre staunt, kommt meist schon ihre Erbauerin angeflogen und verschwindet flugs im Eingang. Jetzt Mitte Mai sind die weiblichen Schornsteinbienen bereits mitten im Brutgeschäft und bereiten alles für den Nachwuchs vor. Bei uns im Botanischen Garten gibt es mehrere Kolonien dieser faszinierenden Faltenwespen.

Vor den 10 bis 12 Millimeter großen, schwarzen Wespen mit den gelben Binden muss niemand Angst haben, denn sie sind ganz friedlich und haben an unseren Speisen nicht das geringste Interesse. Sie bilden keine Staaten, sondern leben solitär (einzeln), das heißt, jedes Weibchen ist selbst für seinen Nachwuchs verantwortlich. Gerne bilden sie jedoch Brutkolonien, daher kann man an geeigneten Stellen immer mehrere von ihnen antreffen. Verhält man sich ruhig, kann man sie von Anfang Mai bis Juli gut beim Bau ihrer Schornsteine und beim Eintrag der Nahrung für ihre Nachkommen ins Nest beobachten. 

Der Lebensraum wir knapper

Die natürlichen Lebensräume der Schornsteinwespe sind Lösswände, Hohlwege, Steilufer von Gewässern und Abbruchkanten. Manchmal kann man sie an ebenen, offenen Flächen, Lehmmauern oder Sandstein finden. Selten nimmt sie auch künstliche Lehmwände in Nisthilfen wie bei uns im Botanischen Garten an. Eine zweite Kolonie auf dem Gelände hat sich in unmittelbarer Nähe zu unseren Ameisenlöwen angesiedelt.

Lebensraumverlust und intensive Landwirtschaft bedrohen die früher sehr häufige Art.

Anstrengendes Brutgeschäft

Die Weibchen legen ihre Brutzellen in hartem Löss, Lehm oder auch in lehmiger Erde an. Um mit den Mandibeln (Kieferzangen) Gänge in dieses harte Substrat graben zu können, transportiert die Wespe Wasser zum Nistplatz und weicht damit das Substrat auf. Das „Aushubmaterial“ wird dann zum Bau des charakteristischen Schornsteins verwendet, der immer wieder gitterartig von Löchern durchbrochen ist. Im Boden, am Ende des 6 bis 8 Zentimeter langen Hauptgangs werden traubenförmig bis zu maximal sieben Brutzellen angelegt. Typisch ist die Position des Eies, das an einem dünnen Fädchen von der Decke der Brutzelle hängt.

Zur Versorgung der Larven trägt die Wespe ausschließlich Rüsselkäferlarven der Gattung Hypera (= Phytonomus) ein, vor allem die Larven des Luzerneblattnagers (Hypera postica), die sie mit einem Stich lähmt. Durch das Gift bleiben die Rüsselkäferlarven „frisch“ und die Wespenlarven müssen kein verdorbenes Futter fressen. In der Regel werden für die Versorgung einer Brutzelle 10 bis 30 Larven verwendet. Anschließend wird der Hauptgang wieder mit Lehm verschlossen, dazu baut die Wespe den Schornstein komplett ab. Man vermutet daher, dass er lediglich als Materialzwischenlager dient. 

Nach dem Verzehr der Rüsselkäferlarven spinnt die Wespenlarve nach etwa einer Woche einen Kokon, in dem sie als sogenannte Ruhelarve überwintert. Erst im nächsten Frühjahr erfolgt die Verpuppung. Nach dem Schlüpfen müssen sich die jungen Wespen mühsam bis zur Oberfläche durchgraben. 

Fressen und gefressen werden

Wie oft in der Natur leben Tiere nicht nur räuberisch, sondern werden auch selbst als Nahrung genutzt. In diesem Fall ist es vor allem die Brut der Schornsteinwespe, die von Goldwespen (Chrysididae), Trauerschweber (Anthrax anthrax) und dem Bienenwolf (Trichodes apiarius), einem Vertreter der Buntkäfer, parasitiert wird. Sie legen ihre Eier in die Nester der Schornsteinwespen und sobald ihre Larven geschlüpft sind, machen sich diese über die Eier der Wespen und den Nahrungsvorrat der Larven oder auch über deren Puppen her. Die Bunte Goldwespe (Chrysis viridula) ist sogar ausschließlich auf die Schornsteinwespe spezialisiert. Sie wartet, bis alle Brutzellen komplett fertig gestellt sind, dann gräbt sie den verschlossenen Gang wieder auf, öffnet den Kokon, der bereits verpuppten Larve und legt dort ihr Ei ab.

Diese natürlichen Feinde der Schornsteinwespe führen jedoch nie zum Verschwinden einer Population, da sie sich sonst ihrer eigenen Nahrungsgrundlage berauben würden. 

Linz tierisch – Infos und Tipps der Naturkundlichen Station