Schlafäpfel – Kinderstuben an Heckenrosen
Mehrere Gallen auf dem Zweig einer Heckenrose
Schlafapfel als Schlafplatz einer Achateule (Phlogophora meticulosa)
An Wildrosenzweigen kann man das ganze Jahr hindurch auffällige pflanzliche Wucherungen beobachten: walnuss- bis apfelgroße Ballen, unregelmäßig geformt und wie Moosknäuel aussehend. Im Sommer sind sie grüngelb, später rot und im Winter braunschwarz. Man nennt sie Rosenschlafäpfel. Es handelt sich dabei um Pflanzengallen, die ihren Ursprung einem 3 bis 4 Millimeter großen Insekt verdanken: der Gemeinen Rosengallwespe (Diplolepis rosae). Ihr dienen diese Pflanzengallen als Kinderstuben für ihren Nachwuchs.
Bildung von Gallen
Die Gallbildung ist ein merkwürdiges, doch recht weit verbreitetes Phänomen. Eine Pflanze produziert ein recht ansehnliches Gebilde, von dem sie selbst keinerlei Nutzen hat. Vielmehr dient die Wucherung nur dem Wohlergehen des Gall-Erregers. Die Wirtspflanze stellt den tierischen Bewohnern Behausung, Nahrung, Witterungs- und Winterschutz zur Verfügung. Sie trägt ihrerseits allerdings auch keinen erkennbaren Schaden davon. Eine gesunde Pflanze hat einen solchen Überschuss an Vitalität, dass sie die Dienstleistungen für die Gallwespe und ihre Gemeinschaft gleichsam aus der Portokasse bezahlen kann. Dies ist vielleicht auch der Grund der dafür, dass Pflanzengallen so häufig auftreten, wobei die Eiche einer der beliebtesten Wirte ist. Ausgelöst wird eine Gallbildung durch Gallwespen durch die Abgabe von Hormonen beim Einstechen des Legebohrers und Ablage des Eies in das Wirtsgewebe. Später produzieren dann die Larven die entsprechenden Hormone.
Ein Leben ohne Männchen
Der Lebenszyklus der Rosengallwespe beginnt im Frühjahr, wenn die Weibchen die vorjährigen Gallen verlassen und ihre Eier mit Hilfe eines Legestachels in den Blattknospen absetzen. Innerhalb einer Woche schlüpfen die Junglarven und dringen nun tiefer in das Knospengewebe ein. Zugleich beginnt die Reaktion der Wirtspflanze, die nun fortlaufend Nährgewebe und Gallenhülle produziert, bis die endgültige Größe des Schlafapfels erreicht ist. Die Larven leben jeweils in getrennten Kammern und ernähren sich vom pflanzlichen Gewebe der Galle. Im Herbst sind sie ausgewachsen. Nach der Überwinterung und einer kurzen Puppenruhe im April beginnt mit dem Schlüpfen der der nun erwachsenen Wespen alles wieder von vorne. Übrigens gibt es in unseren Breiten fast ausschließlich weibliche Rosengallwespen, aus deren unbefruchteten Eiern sich wiederum fast ausschließlich Weibchen entwickeln. Dieser Umstand ist Bakterien aus der Gattung Wolbachia geschuldet, die in den Geschlechtsorganen der Weibchen leben und die Entwicklung von Männchen verhindern, jedoch die Gesamtfruchtbarkeit der Tiere erhöhen.
Kampf in der Galle
Die Gallen bieten nach außen hin sehr guten Schutz vor Fressfeinden, doch vor kleinen Eindringlingen sind die Larven der Rosengallwespe nicht gefeit, wobei es sich hier ausschließlich um Arten aus der großen Verwandtschaftsgruppe der Wespen handelt. Während aber eine Art, die Schwarze Rosengallwespe, die Galle lediglich als Untermieterin bewohnt, sind die übrigen keineswegs harmlose Nachbarn, sondern Parasiten. Die Larve der häufigen Rosenschlupfwespe zum Beispiel lebt von der Gallwespenlarve und tötet sie schließlich. Weitere sieben Arten verhalten sich ähnlich oder leben ihrerseits von den Larven der Schmarotzer, sind also Hyperparasiten. In der Mooskugel herrscht offensichtlich keineswegs eitel Wonne, sondern sie ist vielmehr eine Stätte ernster Auseinandersetzungen.
Für süßen Schlaf
Den Rosengallen wurde in der Volksmedizin seit der Antike eine schlaffördernde Wirkung nachgesagt. Legt man sie unter das Kopfkissen, sollen sie zu einem langen, ruhigen Schlaf verhelfen, daher auch der Name Schlafapfel.
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